Sanfter Tourismus – Warum Nachhaltiger Urlaub längst überfällig ist

Warum übernehmen wir Verantwortung im alltäglichen Leben aber nicht im Urlaub? Sanfter Tourismus - Warum Nachhaltiger Urlaub längst überfällig ist.
Warum übernehmen wir Verantwortung im alltäglichen Leben aber nicht im Urlaub? Sanfter Tourismus - Warum Nachhaltiger Urlaub längst überfällig ist.

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Sanfter Tourismus

Nach 13 Jahren Arbeit im Tourismus, haben sich meine Einstellung zum Urlaub und meine Ansprüche zur Erholung verändert. Hatte die Arbeit Einfluss auf meine heutigen Ansichten? Eindeutig hatten die Tourismusjobs einen großen Anteil.

Wenn ich aus Überzeugung gern Laufe oder Rad fahre, werde ich meinen Urlaub sicher nicht mit einer 14-Tage Busreise verplanen. Warum? Weil ich die Nutzung von Verkehrsmitteln generell minimieren möchte. Mein Bewusstsein im Umgang mit Energie, Abfall und Wasser wird auch im Urlaub nicht einfach abgestellt.

Und wenn ich nicht in ein Dilemma von schlechtem Gewissen während meines Urlaubs stecken will ( – weil ich die Verschwendung von Ressourcen und Lebensmitteln endloser Büfettes sehe, von herkömmlichem Strom zehre statt Fotovoltaik in Ländern mit über 300 Sonnentagen, von unbezahlten Praktikanten bedient werde anstatt gelernten Personals, oder oder mich störe an einem der vielen anderen kleinen Dingen, die einfach nicht sein müssten – ), dann versuche ich mein Urlaubsziel zweimal mehr vorher unter die Lupe zu nehmen. Sanfter Tourismus versteht sich also als ökologieorientierten und sozialverträglichen Tourismus.

Was ist denn Sanfter Tourismus?

Schauen wir doch mal, was genau denn Sanfter Tourismus ist. Denn hier geht es um Nachhaltigkeit. Um ein Bewusstsein für die Umwelt. Soziale Aspekte in Bezug auf die Region. Es geht also nicht allein darum wie man wohin reist. Sondern auch um die Überlegung, warum man ein bestimmtes Ziel wählt. Oder nicht wählen mag. Kurz gesagt, als Urlauber möchte ich mit der Natur sein. Nicht gegen sie. Und mich so wenig wie möglich negativ oder schadend verhalten. Auch im Sinne der Kultur und der Menschen des Landes. Und nicht zuletzt, um das Verständnis unserer Zukunft. Also definieren wir kurz vornweg:

Nachhaltigkeit ist ein Handlungsprinzip zur Ressourcen-Nutzung, bei dem die Bewahrung der wesentlichen Eigenschaften, der Stabilität und der natürlichen Regenerationsfähigkeit des jeweiligen Systems im Vordergrund steht. (Wikipedia)

Vereinfacht, dass ein jeder nur das nimmt, was zeitnah wieder ersetzt werden kann. Also, was sich regenerieren und wieder bereitgestellt  werden kann.

Unter dem ökologischen Fußabdruck […] wird die Fläche auf der Erde verstanden, die notwendig ist, um den Lebensstil und Lebensstandard eines Menschen (unter den heutigen Produktionsbedingungen) dauerhaft zu ermöglichen.  (Wikipedia)

Kurzum, Sanfter Tourismus soll also nicht ausbeutend sein. Weder für die Natur noch für das Land und die Einheimischen.

Nachhaltig Urlaub machen

Wäre doch toll, wenn sich mehr Urlauber von sich aus für einen nachhaltigeren Urlaub für das nächste Jahr entscheiden würden. Nur wer jetzt denkt, dann geh ich das nächste mal ins Reisebüro und buche eben etwas entsprechendes, wird es in den meisten Fällen nicht so leicht haben. Auch bei den großen Online-Anbietern wie TripAdvisor, Trivago, hotel.de, Booking.com, Expedia.de, Airbnb oder HRS gibt es für Privatpersonen, die eine nachhaltige Unterkunft suchen, immer noch keine Filterfunktion bei der Suche.

Unterstützung in Sachen sanfter Tourismus findet man bei den einigen alternativen Reiseveranstaltern, überwiegend online. Anbieter wie bookdifferent, ReNatour, EcoFerien und andere. Oder Initiativen, die sich um Aufklärung und Umdenken bemühen. Als Beispiel voran: Utopia. Mit vielen wichtigen Tipps, wie man selbst die Urlaubsplanung in die Hand nehmen kann. Angefangen von der Wahl der Verkehrsmittel, der Urlaubsdauer im Verhältnis zur Entfernung oder der Buchung über alternative Reiseveranstalter. 

Momentan lastet die Verantwortung noch überwiegend auf den Erholungssuchenden. Wer nachhaltig Reisen will, muss recherchieren. Sich informieren. Gibt es noch keine einheitlichen internationalen Zertifizierungen, die bei der Suche nach einem umweltfreundlichen Urlaubsziel helfen würden? Als Verbraucher sind wir es ja bekanntlich gewöhnt, uns bei der Wahl unserer Produkte auf Siegel wie Fairtrade oder Bio zu verlassen. Die Antwort ist: Es gibt sogar zu viele Label, über 150 um genau zu sein. Wer kann da noch durchsehen?

Zertifikate, Siegel, Laybels, Umweltzeichen

Das Green Key Siegel ist ein internationales Umweltzeichen besonders für Hotels und Restaurants. Die Blaue Flagge hingegen ist ein Qualitätssiegel Wasserqualität und die Strände.

Da gibt es das forum anders reisen mit über 100 Reiseveranstalter, die sich zusammengeschlossen haben, um sich für einen nachhaltigen Tourismus zu engagieren. Und es gibt einen Kriterienkatalog, den es zu bestehen gilt, wenn man als umwelt- und sozialverträglicher Reiseveranstalter das CSR-Zertifikat oder TourCert erhalten will.

Und nicht zuletzt das Green Globe Umweltzeichen. Eine Zertifizierung für die Tourismusbranche, aufbauend auf den Bereichen Umweltfreundlichkeit, sozialer Verantwortung und wirtschaftlicher Rentabilität.

Aber was ist mit einheitlichen Standards? Die Kriterien zur Zertifizierung ähneln sich. Aber Unterkünfte und Anbieter, die von einer Stelle zertifiziert wurden, finde ich nicht bei den anderen. Und umgekehrt. Es gibt noch etwa weitere 100 Zertifikate, Siegel, Laybels, Umweltzeichen. Vorerst ist also Label-Chaos angesagt.

Sanfter Tourismus vs. Massentourismus

Nun gut, ein Anfang ist gemacht. Nur warum habe ich das Bild im Kopf, dass der Sanfte Tourismus dem Goliath Massentourismus ebenso gegenübersteht, wie der kleine Bio-Bauer der Massentierhaltung?

Denn auffällig ist, dass überwiegend kleine und mittlere Urlaubsanbieter sich um Nachhaltigkeit und Aufklärung bemühen. Und nur ganz wenige große. So konnte ich in meinem ehemaligen Tourismusarbeitsland Türkei lediglich 7 Green Globe zertifizierte Hotels finden. Bei Green Key sind es wenigstens noch 74 Eintragungen. Dennoch, angesichts der Menge an Pensionen, Hotels, Clubanlagen, Ferienziele im Land, wirklich eine beschämend geringe Zahl. War doch die Türkei 2014 mit 39,8 Millionen internationalen Besuchen von Touristen auf Rang 6 der beliebtesten Reiseziele weltweit.

Doch besonders die großen Hotels und Hotelketten mit besonders vielen Betten und hohem Umsatz, sollten die denn nicht mit gutem Beispiel voran gehen? Sicher kann man sagen, alles fängt mal klein an. Doch sobald die Nachfrage besteht, wird sich ein Umorientieren auch bei den großen Tourismusunternehmen nicht mehr vermeiden lassen. Vielleicht. Das bleibt abzuwarten. Nur ist die Frage, wie lange Natur und Gesellschaft negativen Auswirkungen des Massentourismus noch standhalten.

Massentourismus

Die Ursprünge zum Sanften Tourismus und die Kritik am Massentourismus gehen auf die 70er des letzten Jahrtausends zurück. Eine dramatische Formulierung zur Zeitangabe. Zugegeben. Ist es aber auch: Dramatisch. Wenn man bedenkt, dass 50 Jahre Wissen um die Notwendigkeit einer Veränderung noch nicht viel verändert haben.

Was der Urlauber nicht weiß

Das kann er nicht verbessern. Und der Urlauber erfährt vieles nicht. Das ist ja das Konzept im Tourismus: Gute Laune verkaufen, perfekte Seifenblasen-Welt präsentieren, eine Oase weg vom Alltag schaffen. Einem ganz natürlichen und verständlichen Bedürfnis nach Ruhe, Entspannung oder Abwechslung wird hier der Raum geboten. Damit man endlich Abschalten kann. Und mal 2 Wochen nicht Nachdenken muss.

Doch genau das ist der Grund, weshalb es vor allem größeren Hotels und Clubanlagen möglich ist, vor Augen aller Gäste mitunter zu schalten und zu walten wie es gerate passt. Man spricht dann allgemein hin, von den negativen Auswirkungen des Massentourismus. Aber wen sollte man denn nun verantwortlich machen? Den Urlauber, der es nicht weiß und nicht hinterfragt. Die Anbieter und Reiseveranstalter, die es nicht thematisieren, weil eben kaum einer danach fragt? Oder die Verantwortlichen der Destinationen, die Gesetzgeber, die keine Gesetzte geben, weil der Tourismus in vielen Ländern ein einflussreicher Wirtschaftszweig ist, den es nicht zu verlieren gilt?

Die Wahl des Urlaubsortes

Ja nach was sollte man denn fragen oder die Augen offen halten? Nehmen wir ein südliches Land in Europa oder an den Grenzen zu Europa. Mit ein paar Flugstunden zu erreichen. Aber mit Schönwetter-Garantie. Strandurlaub eben. Sehr beliebt bei den Mitteleuropäern auf diese Art den Urlaub zu verbringen.

Fliegen kann man überall hin. Wenn es sich um 2 oder gar 3 Urlaubswochen handelt, kann man auch zähneknirschend die Energiebilanzen des Flugverkehrs ertragen. Nähere Reiseziele sollten es sein. Doch sollte nicht die Alternative sein, anstatt ein anderes, näheres Reiseziel wählen zu müssen, um die CO2-Emissionen zu verringern, dass es eine „grünere“ Alternative des Transportmittels als das Flugzeug zu wählen gäbe? Gibt es aber meistens nicht. Und man wollte eben dieses Land einmal bereisen, da führt den einfachen Urlauber eben nur das Flugzeug hin. So steht die Wahl der Qual zwischen Verzicht und gutem Gewissen einerseits und der Alternativlosigkeit andererseits.

Hinter den Kulissen

Nun ich habe mich für 3 Wochen Urlaub entschieden, um das schlechte Gewissen wegen des Fluges zu minimieren. Eine Ferienanlage, mit viel Grün und großem Garten, anstatt eines hochgezogenen Hotelkomplexes auf engen Raum. Ich kann ja nicht wissen, dass die hübsche Gartenparkanlage weitgehend mit Pestiziden steril gehalten wird, anstatt in einem natürlichen Gleichgewicht gehalten. Oder welche Auswirkungen die allabendliche Sprühprozeduren mit Dimethoat gegen Mücken auf das Ökosystem haben könnten. Im Katalog des Reisebüros stand davon nix.

Ebenso wenig kann ich wissen, dass heimische Tiere auf ihren natürlichen Lebensraum versuchen zu bestehen. Nur meist heißt es die Natur oder der Urlauber. Da Land in Tourismusgebieten fast unbezahlbar geworden ist, werden von Investoren kleinere Landstücke gekauft und mit großen Hotelkomplexen komplett ausgefüllt. Damit der Platz mit vielen Betten gefüllt werden kann. Um schnellstmöglich die Ausgaben einzutreiben und Gewinn zu schaffen. Entsprechend werden immer mehr Hotels aus dem Boden gestampft. Gebäude an Gebäude. Bettenburgen, Betonwüsten und ähnliche Bezeichnungen kennen wir. Wohin die Tiere verschwinden, die ihren Lebensraum in diesen Gebieten hatten, wagt keiner zu fragen.

Verantwortung All-inklusive

Da ja fast nur noch All-inklusive Urlaubspakete angeboten werden, wäre ich ja schön doof, nur Übernachtung und Frühstück zu buchen. Kostet mich ja mehr. Was viele Urlauber ebenfalls nicht wissen: Es kostet auch das Land mehr. Viel mehr, als man sich auf den ersten Blick vorstellen mag. Denn All-inklusive Hotelkonzepte halten Urlauber hinter einer Glasglocke vom eigentlichen Land, der Natur, der Wirtschaft und den Menschen getrennt. Wirtschaftlich rentabel ist dies sicher für das Hotel. Nicht aber für die Einheimischen.

Da geht der Irrsinn weiter. Denn ich als Urlauber mache mir mehr Gedanken über die heimische Wirtschaft, als die Politik des Landes. Ich versuche gern meinerseits Verantwortung mitzutragen, indem ich nicht All-inklusive buche. Doch wieso ist es überhaupt möglich in Tourismusgebieten über Kilometer hinweg, nur All-inklusive Hotels und Anlagen zu finden. Die ein Überleben oder Ansiedeln heimischer Restaurants, Bars und regionaler Einkaufsläden fast unmöglich machen.

Die Zeit drängt

Und die Handlungskette hinter den Kulissen ist sehr lang. Die Wahrheit ist, das Urlauber in den seltensten Fällen die Möglichkeit haben zu Erfahren, wie die Unterkunft geführt wird. Es fehlt schlicht an Transparenz. Wen erreiche ich denn nun eigentlich, wenn es um sanften Tourismus gehen soll? Gebildete Elite, die sich durch die aktuelle Lage kämpft oder Menschen wie du und ich? Von einer breiten Aufklärung ist man allerdings weit entfernt. Letztendlich bleibt der Wunsch nachhaltig zu Reisen oftmals stecken in einer zähflüssigen Entwicklung und einem Chaos von Zertifikaten, mit Einzelkämpfern von Anbietern auf dem Online-Markt und wenigen Chancen auf Informationen auf dem Offline-Markt.

Wann also wird es eine Struktur geben, die der Allgemeinheit zu Gute kommt? Sicher, mit dem Klimawandel wird sich auch der Tourismus zunehmend auseinandersetzen müssen. Dabei geht es nicht allein um den enormen Ressourcenverbrauch und die Umweltverschmutzung. Denn wenn es zu mehr Zusammenarbeit und Engagement gegen den Klimawandel kommen wird, so wird der Tourismus in vielen Ländern einen entscheidenden Beitrag dazu leisten müssen. Bis dahin bleibt dem Urlaubssuchenden die Suche nicht erspart.

Zusammenfassung – Die besten Anbieter, um nachhaltig zu Reisen

Bookdifferent.com

ReNatour

EcoFerien

forum anders reisen

Good Travel

Viabono

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BabyDuda

Das bin ich: Vollzeit Arbeitnehmer. Vollzeit Selbstständig. Vollzeit Mutter. Klingt mathematisch unlösbar, ist aber in der Praxis durchaus real. In der Kürze der Zeit einer rasanten Welt, sucht Mancher nach Zerstreuung. In der Arbeit an meinen Blogs finde ich einen Teil dieser Zerstreuung. Davon gebe ich gern etwas ab, sofern Andere diese Interessen teilen...

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